Ein Brief aus dem Jahr 1986
Der Nachlass von Alois Rump (1927-1994)1Heute im Besitz von Ursula Koltermann, Overath, der ich für die Einsicht danke. enthält einen Brief aus dem Jahr 1986, den ich im Folgenden ungekürzt wiedergebe. Verfasser und Absender ist der polnische Historiker Dr. Ryszard Walczak (1931-1989), der ihn bei einem Studienaufenthalt in Westberlin in deutscher Sprache auf einer Schreibmaschine tippte.
Walczak gehörte dem akademischen Mittelbau des Instituts für Geschichte an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen an und galt als Spezialist für die historische Quellenforschung. Im Jahr 1986 betreute er als Redaktionssekretär die Zeitschrift Studia Źródłoznawcze. Commentationes, die auch heute noch von der Polnischen Akademie der Wissenschaften (NAUK) herausgegeben wird. Seit den 1950er Jahren war Walczak mit Professor Dr. Zygmunt Boras (1927-2008) befreundet; in Zusammenarbeit mit ihm (und Andrzej Wędzki) hatte Walczak im Jahre 1961 das Werk Historia powiatu wałeckiego w zarysie [Geschichte des Powiat Wałcz im Überblick] verfasst – die erste polnische Arbeit über das Deutsch Kroner Land seit den Grenzveränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1986 stand Boras als Prodekan der Historischen Fakultät in Posen vor, war dem Ziemi Wałecki aber immer noch eng verbunden.
Empfänger des Briefes war ein deutscher Heimatvertriebener ohne jede akademische Ausbildung, dem die Erinnerung an die verlorene Heimat zur Lebensaufgabe geworden war. Alois Rump wurde am 12. August 1927 in Tütz im Haus Niederstraße 1 geboren, das sein Großvater im Jahr 1902 erworben hatte. Alois’ Vater war als Maurer bei der Firma von Louis Boese beschäftigt, die Mutter war eine geborene Anklam und stammte aus Mehlgast, ein Onkel des Vaters führte eine Gaststätte am Tützer Marktplatz. Die ganze Familie war katholisch und seit Generationen in der Region ansässig.
Alois war ein groß gewachsenes und lebhaftes Kind, das nach eigener Aussage in der katholischen Volksschule in Tütz vom klein gewachsenen Lehrer »mehr Prügel als gute Worte« erhielt. Nach der Schulzeit begann er eine Lehre zum Brenner in Stibbe, die im Februar 1945 mit dem Einmarsch der Roten Armee abrupt endete. Es folgte ein Jahr voller Gewalttätigkeiten und Demütigen, deren letzte die Ausweisung der Familie aus Tütz im März 1946 war. Alois war damals 18 Jahre alt.
Nach Irrfahrten durchs Nachkriegsdeutschland landete die Familie in Nagold im Schwarzwald, wo der Vater früh starb und Alois bei einem Fahrzeughersteller Arbeit fand. Ein schwerer Unfall machte ihn Ende der 1960er Jahre zum Frührentner mit viel freier Zeit, aber auch schweren gesundheitlichen Problemen. Nach dem Tod der Mutter im Dezember 1971 zog Alois Rump nach Sankt Augustin, wo eine Schwester des Vaters lebte. Mit deren Tod im April 1976 verlor er den letzten Halt und lebte allein für die verlorene Heimat. Er besuchte jedes Treffen der Vertriebenen aus dem Kreis Deutsch Krone, sammelte Erinnerungen und suchte in allen erreichbaren Archiven nach Urkunden und Dokumenten. Seine Fundstücke schrieb er in kalligraphischer Schönschrift ab und präsentierte sie auf Heimattreffen; er verfasste darüber hinaus zahllose eigene Artikel und Gedichte für den Deutsch Kroner und Schneidemühler Heimatbrief und den katholischen Johannesbote. Hinzu kamen unzählige Reisen nach Tuczno – dem früheren Tütz –, das mit Abschluss der KSZE-Schlussakte im August 1975 wieder erreichbar geworden war. Dort fotografierte er viel und nannte sich selbst Alois von Tütz.
Den übrigen Deutsch Kronern – auch das soll nicht verschwiegen werden – fiel er mit seiner maßlosen Heimatliebe oft lästig. Hinzu kam die Tatsache, dass er in seiner äußerlichen Erscheinung mehr und mehr verwahrloste. Er erschien auf Heimattreffen ohne Socken und unrasiert in alter Hose und Pullover und setzte sich dadurch in demonstrativen Kontrast zu den anderen Teilnehmern, die mit einer gehobenen Garderobe eben beweisen wollten, dass sie in der »neuen Heimat« als tüchtige Menschen angekommen waren. Für sie waren die Treffen ein Stück Nostalgie, für Alois Rump hingegen war all das bitterer Ernst.
Natürlich verfolgte Alois Rump mit seinen vielfältigen Aktivitäten einen Zweck: Er wollte beweisen, dass Tütz und der Kreis Deutsch Krone deutsches Land waren und in der historischen Entwicklung zu Deutschland gehörten. Der nachfolgende Brief zeigt, dass er in den 1980er Jahren auch Kontakt zu Professor Zygmunt Boras aufnahm, um weitere Quellen für seine Beweisführung zu erschließen. Der verfolgte freilich eine konträre Absicht und versuchte zu belegen, dass das Ziemi Wałecki stets ein integraler Bestandteil des polnischen Staates war. Es ist schön zu sehen, dass sich trotz gegenläufiger Motive ein gegenseitiger Austausch ergab. Das ernsthafte gemeinsame Interesse an der Geschichte war dabei das verbindende Element.
Alois Rump starb 2. Februar 1994 in Sankt Augustin. Wie mir der inzwischen ebenfalls verstorbene Gottfried Koltermann berichtete, war er vor seinem Tod noch einmal mit dem Zug nach Tuczno gefahren – ohne Geld, ohne Pass und ohne Fahrkarte. Die Reise verlief problemlos.
Lieber Herr Rump!
Gestatten Sie bitte, daß ich von Anfang an das „sehr geehrter“ fallen lasse, trotzdem ich Ihnen völlig unbekannt bin und zum ersten Mal mich an Sie schriftlich wende. Wenn man von dem Standpunkt ausgeht, daß „die Bekannten unserer Bekannten auch unsere eigene Bekannten manchmal sein können“, so begreift man, warum ich Sie, als einen Bekannten meines alten Freundes Zygmunt Boras, jetzigen Professors an der Posener Adam-Mickiewicz-Universität, auch als solchen zu betrachten versuche. Jetzt wissen Sie auch schon also Bescheid woher ich Ihre Adresse kenne; weshalb ich aber Ihnen schreibe, werde ich gleich zu erläutern versuchen.
Zuerst aber nur kurz zu der Tatsache, daß ich Ihnen nicht aus Posen, sondern aus Berlin-West schreibe. Vor meiner Abreise in das Bundesgebiet, zu einer Tagung, und folglich nach Berlin, hatte ich so viel zu tun, daß mir schon die Zeit zu kurz war um den geplanten Briefwechsel zu erledigen, der an die älteren Bekannten gerichtet sein sollte. Und Ihre Adresse bekam ich erst Anfang September d. J., obwohl Zygmunt Boras es schon einige Male früher gesagt hatte, daß er sie mir übergeben möchte. Seiner Ansicht nach – und dazu ganz richtig – war ich derjenige Mann, mit welchem Sie Ihre, ihm vertraute Forschungs- und Sammlerinteressen teilen könnten, eher als mit ihm selbst.
Zygmunt (Sigismund) Boras ist vier Jahre älter als ich. Seine Familie stammt aus der Umgebung der Stadt Sieradz (Schieratz). Weil infolge der Kriegshandlungen von 1939 und erneut 1945 das Haus seiner Eltern zerstört wurden war, entschloß sich die Familie in die breite Umsiedlerwelle des Jahres 1945 einzuschließen und „nach Westen“ zu ziehen. Sie ließ sich im Sommer 1945 in der Stadt Dt. Krone, die damals zu ihrem altpolnischen Namen Wałcz zurückkehrte, nieder, nämlich in der Buchwaldstraße am westlichen Stadtrande. Der Vater von Zygmunt und seinen zahlreichen Geschwistern war vom Beruf Schneider, widmete sich aber der Bienenzucht. In jener Stadt begann Z. seine Fortbildung auf der Gymnasialstufe und erlangte im Jahre 1948 sein Abitur. Später kam er nach Posen, wo er an der Universität Jura und Geschichte studierte. Nach dem Abschluß des Grundstudiums setzte er es auf höherer Stufe fort und in dieser Beschaffenheit lernte ich ihn etwa 1956/57 kennen.
Ich selbst kam erst an dieselbe Uni im Jahre 1951 an; ich war ebenso wie Zygmunt durch den von der deutschen Besatzungsmacht völlig unterbundenen Schulunterricht auch in dieser Hinsicht verspätet. Mein Geburtsort lag im Süden Großpolens, nahe der niederschlesischen Grenze, wo mein Vater vor 1939 Dorfschullehrer war. Mein Heimatort war nicht sehr von demjenigen der Familie Boras entfernt; mütterlicherseits dagegen entstamme ich einem südposenschen Handwerkergeschlecht, obwohl meine Mutter schon zur Lehrerin ausgebildet worden war. Nach dem frühen Tode der Mutter und nachdem mein Vater in den Krieg ziehen mußte, wurde ich als 8-jähriges Kind von meinen mütterlichen Großeltern betreut. Meine Abitur kam auch in jener (breiten) Gegend zustande, und nach dem Abschluß des Universitätstudiums der Geschichte 1951-1955 wurde ich im Historischen Institut (oder: Institut für Geschichte) der Polnischen Akademie der Wissenschaften als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Auf jener Ebene kam auch die genannte Begegnung mit Zygmunt Boras zustande. Sie wurde mir gewissermaßen zum Verhängnis, weil ich dadurch in Verbindung mit dem „territorium Walcense“, also mit dem „Kroner Lande“ in eine Verbindung gekommen bin, die schon 30 Jahre dauert …
Zu Beginn wurde ich einige Male von ihm eingeladen; wir trieben den Wassersport auf dem Radun- oder Stadtsee, machten auch Ausflüge in die Umgebung; ein Mal zu Fuß nach Tütz zur „Trümmerbesichtigung“, ich habe damals fotografiert und die Bilder sind erhalten geblieben. Später, unter Beteiligung eines dritten Kollegen verfaßten wir im Auftrage der lokalen Behörde eine kurze Kreisgeschichte, die 1961 erschien2Gemeint ist das Buch Z. Boras, A. Wedzki, R.Walcak: Historia powiatu wałeckiego w zarysie [Geschichte des Powiat Wałcz im Überblick], Poznán 1961.. In jener Zeit bin ich erst persönlich mit dieser Thematik in Kontakt gekommen, sah mich dann später so tief darin engagiert, daß ich mich entschlossen habe, eine wissenschaftlich aufgebaute „Siedlungsgeschichte“ des „Territorium Walcense“ bis 1772 als eine erweiterte Doktordissertation zu schreiben. Es begann das mehrere Jahre dauernde Sammeln der historischen Quellen, vor allem aus den Arnskroner- und Posener Grodbüchern, aber auch aus kirchlichen Archiven, aus den frühpreußischen Archivalien in Merseburg (DDR), und aus dem Kronfinanzarchive in Warschau. Leider blieb daraus nichts; man muß das feststellen.
Ich unterlag der großen Materialbürde, konnte auch die erforderliche statistische Arbeitsmethode eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums nicht meistern und mußte schließlich ein völlig anderes Thema wählen, um den mir schon sehr nötigen Fortbildungsgrad zu erlangen (1977). Mein Ehrgeiz ging nicht so weit, daß ich mich zu einem Dozent oder Professor machen sollte, und ich blieb bei meiner hilfswissenschaftlichen Arbeit im Institut; bei der Drucklegung mittelalterlicher Quellentexte (alter lateinischer Chroniken und Urkunden), sowie bei gewissen bibliographischen und redaktionellen Aufträgen. Soweit zu einer Selbstcharakteristik.
In den vergangenen Jahren habe ich das Thema, für das ich mich vor 30 Jahren zu interessieren begonnen hatte, nicht aufgegeben – im Gegenteil. Auch bin ich darum bemüht, die historischen Quellen und das lokalhistorische Schrifttum immer genauer zu erschließen und anzusammeln. Das sind also Gründe weshalb Zygmunt Boras sich ausgedacht hat, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, besonders deshalb, weil er selbst in der Zwischenzeit seine eigene Interessen auf andere Themenfelder verlegt hatte und nicht mehr – sozusagen „im Detail“ mit den „Valciana“ in Verbindung steht.
Soweit mir nach seinen Erzählungen bekannt ist, sind sie ein eifriger Sammler verschiedener Urkunden – selbstverständlich als Fotoaufnahmen oder Kopien. Aus Ihrem letzten Briefe (den ich nicht zur Hand habe) hat er mir manches zitiert. Was mich angeht, so schenke ich weniger Aufmerksamkeit den Abbildungen alter Texte; mir genügen auch ihre Abschriften. Ich bin dagegen sehr bemüht das ältere und neuere Schrifttum in beiden Sprachen – ungeachtet seines weniger oder mehr kontroversen Inhalts – aufzutreiben, und in Kopien zu sammeln. Falls sie also zu einem Meinungs- und Materialaustausch auf diesem Felde bereit wären, könnte ich manches besorgen und erreichen.
An Originalurkunden und -texten sind freilich wenige geblieben. Die Gründungsurkunde der Stadt Arnskrone (nach 1775 Deutsch Krone) haben Sie in Ihrem Besitz. Auch ich bin in deren Besitz in letzter Zeit gekommen, leider mit einiger Mühe und auf Umwegen, denn die lieben „Stockpreußen‘ die sie in ihrer Obhut haben, verwehrten mir den Zugang, mit der Erklärung sie sei angeblich in den Kriegswirren verloren gegangen … Die „Tützer“ Urkunde [von] 1306, die Sie in Ihrem Briefe nennen, sowie einige andere, existiert nur in einer (schlechten) Abschrift in den Grodbüchern (Staatsarchiv in Posen). Die meisten (allerdings nicht alle) Grodbücher habe ich seiner Zeit durchgelesen und besitze in meiner Kartei alle Hinweise bis auf etwa das Jahr 1732 aufgezeichnet; es sind z. B. leicht alle diejenigen Dorfprivilegien in den Starosteien (im Osten des Walczer Landes) zu finden, die Franz Schultz3Walczak spielt hier an auf F. Schultz: Geschichte des Kreises Deutsch-Krone, Deutsch Krone 1902. nur nach Jahren nennt. Nur ein Privilegium – das für Freudenfier wurde – im Grunde genommen – bisher gedruckt (in den „Grenzmärkischen Heimatblättern“).
In den Grodbüchern befinden sich u. a. sehr umfangreiche Beschreibungen (Inventare) der Tützer Herrschaft 1722 und 1731, freilich nur in polnischer Sprache (altpolnischer, und als Abschriften selbstverständlich). Das Diözesanarchiv in Posen bietet mehrseitige Visitationsberichte der kirchlichen Visitationen 1628, 1641, 1661, 1695, 1727, 1745, in Latein, teilweise Polnisch. In den sogenannten „Bischöflichen Akten“ (Acta Episcopalia, verkürzt AE) befindet sich das Protokoll der Tützer Verhöre 1606 zu der Reformation und Gegenreformation in jener Gegend.
Im Stettiner Staatsarchiv liegen die umfangreichen pommerschen Akten zu den erbitterten Grenzkämpfen im Norden des Kroner Landes im 16. Jahrhundert. Es befinden sich dort abschriftlich Urkunden – u. a. jene, die im Pommerschen Urkundenbuche nur aus jener Unterlage veröffentlicht wurde und den westlichen Teil der terra Arneskron am Anfange des 14. Jahrhunderts betrifft. Es gibt dort auch eine Reihe Originalbriefe, darunter einer des Bürgermeisters von Arnskrone Valentin Horn, geschrieben damals, als er das Dorf Zippnow anzulegen und ausbauen versuchte. Im „Ossolineum“ Breslau (früher Lemberg) liegen zwei Handschriften; eine enthält zwei Schriften zur Geschichte Schloppes im 17. Jh. sowie ein Inventar der Starostei Walcz im Jahre 1619 – alles auf Altpolnisch und ganz sicher in Abschrift. Die zweite Handschrift entstammt vom Propste Ignatius Bochenski (geb. 1755, gest . 1813), und enthält eines von seinen geschichtlichen Werken, die „Historia parochiae Walcensis“, sachlich nur in einzelnen Punkten von Wert. Zum Stichwort „Bochenski“ ist zu sagen, dass ich nach 25 Jahren die Dt. Kroner Lokalzeitschrift „Der Herold“ gefunden habe; früher immmer vergebens gesucht. Wie aus der Kreisgeschichte von F. W. F. Schmitt4Walczak spielt hier an auf: F. W. F. Schmitt: Geschichte des Deutsch Croner Kreises, Thorn 1867. zu erfahren ist, enthält sie einen verkürzten Abdruck, in deutscher Übersetzung von Offizial Habisch, eines wichtigeren Werkes Bochenskis – seiner Regionalgeschichte5Gemeint ist hier [I. Bochenski:] Historische Notiz über die Vorzeit des Dt. Croner- und des Netz-Districts, In: Der Herold. Ein gemeinnütziges Unterhaltungs- und Belehrungsblatt für die Kreise Deutsch-Crone, Chodziesen, Czarnikau, Flatow, Neu-Stettin und Dramburg, Nr. 4 vom 25. Januar 1840 bis Nr. 36 vom 5. September 1840. Die Wochenzeitung »Der Herold« erschien vom Juli 1839 bis September 1840 bei Schulz in Deutsch Krone. und Den „Herold“ habe ich in der Deutschen Staatsbibliothek Berlin, Unter den Linden 8, lokalisiert (im Jahre 1967 war dort nicht vorhanden) und versuche [nun], [ihn] auf dem Leihwege nach Posen zu bringen um einen Film daraus zu machen; es kommt [mir] etwas schwierig vor.
In derselben Bibliothek befindet sich auch die seltene Schrift eines August Tischer, Rittergutsbesitzer, „Geschichtliche Nachrichten über die an Warthe, Netze und Drage liegenden Teile der Neumark und über den Kreis Deutsch Krone“ (Deutsch Krone 1871). Ich habe sie im Jahre 1967 dort gelesen; sie ist nur in wenigen Punkten etwas wert, aber gehört zur Bibliographie. Von einem Mikrofilm lassen sich dann Photos anfertigen. Ich mache sie meistens selbst, obwohl ich, ehrlich gesagt, sehr wenig Zeit dazu habe. Das vermindert jedoch beträchtlich die Kosten, was nicht unwichtig ist in Anbetracht dessen, was die Staatsarchive für eine einzige Mikroaufnahme fordern: 40 Zlotys; woanders aber 7–10!
Die Tützer Ersturkunde (Abschrift) wurde wahrscheinlich nicht auf dem Rathause 1945 verbrannt, sondern schon 1938/39 nach Stettin überführt und ist mit nicht wenigen Archivalien des Stettiner Staatsarchivs vermißt. Denn in jenen Jahren wurden in das dortige Provinzialarchiv zahlreiche Stadtarchive übergeben; sicherlich die von Schloppe und Jastrow. Das letzte ist auch dort zu finden. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang die Gründungsurkunde (1602) zu nennen, in altpolnischer Sprache, dazu die königliche Bestätigungsurkunde von 1603, z. T. Lateinisch, beide schöne Pergamentstücke. Eine Reihe weiterer Jastrower Akten und Urkunden sind auch dort zu finden, ebenso wie einige „Arnescroniana“ des 17 . Jahrhunderts. Niemand weiß dagegen, was mit mit den Arnskroner Stadtbüchern geschehen ist. Sie waren in der Dt. Kroner Gymnasialbibliothek und werden in dieser Beschaffenheit von Bürgermeister Sperling 1928 zitiert …
Auch auf dem Gebiete der darstellenden Kunst ist manches aufzutreiben . Ich meine hier die „Sargportraits“ aus Tütz und Schrotz; die guten Fotos sind aus Warschau zu beziehen, wo sich die Negative befinden, freilich nur schwarz-weiß … (die Farbbilder sind in Polen furchtbar teuer).
Was noch das Schrifttum angeht, so sind wir Polen in der privilegierten Lage – oder anders sich ausdrückend – haben wir den Vorzug, daß wir beide Sprachen gut beherrschen, dazu noch das Lateinische. Früher war dagegen jene am meisten beherrscht, und dazu noch sehr gut, was am Beispiel der Quellenveröffentlichung der „Historia Residentiae Walcensis Societatis Jesu“ zu sehen ist6Gemeint ist hier M. Rohwerder: Historia Residentiae Walcensis Societatis Jesu. Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands, Band 4, Köln, Graz 1967. (In den Erläuterungen zu diesem Text wimmelt es dagegen von groben Fehlern.)
Mich selbst würde sehr interessieren, den „Heimatbrief“7Gemeint ist der Deutsch Kroner und Schneidemühler Heimatbrief, der von 1956 bis 2005 als Organ der Kreisgruppen Deutsch Krone u. Schneidemühl in der Pommerschen Landsmannschaft herausgegeben wurde. der zu Sammel- und Dokumentationszwecken zu besitzen, wenigstens seit letzter Zeit. Vielleicht wäre es Ihnen möglich aus den von Ihnen sicherlich besessenen Exemplaren Foto(xero)kopien anzufertigen? Nach den jetzigen Berliner Gebühren (DM 0,12 pro Seite) wäre das bei 20 Seiten billiger als im Original. Und vielleicht würden die Abbiidungen auch einigermaßen lesbar? Auf welche Weise das zugeschickt werden könnte, würde ich später berichten können.
So viel und so weit für heute! Hier in Berlin bleibe ich bis 23. Oktober einschließend. Falls Sie mir umgehend eine Antwort geben könnten, dürfte es mir noch möglich sein, sie zu erwidern. Später wird die Posener Adresse gültig; ich gebe beide an. Die Hausadresse ist für den Briefwechsel ungünstig; die Erfahrung hat es gezeigt, das die an Institute sogar der Akademie der Wissenschaften gerichteten Briefe nicht so gern unterwegs von den „Menschen ohne Gesicht“8Anspielung auf die polnische Geheimpolizei Służba Bezpieczeństwa (SB), die den Briefverkehr ins Ausland überwachte. gelesen werden und folglich auch schneller ankommen.
Bis dahin also sende ich Ihnem meine freundlichen Grüße und wünsche Ihnen viele Erfolge in Ihren Vorhaben.
Ihr
Ryszard Walczak