Die Apotheke in Tütz 1830-1945

Geschichte einer Apotheke – Teil 1

Apothekenstempel

Teil ❶ ▶︎ Seit 1830 bestand in der Kleinstadt Tütz (heute Tuczno in Polen) eine preußische Apotheke. Von deren Geschichte und ihren oft wechselnden Besitzern berichtet der folgende Beitrag, der erstmals im Jahr 2023 in polnischer Sprache in der Aufsatzsammlung »Z kart historii Tuczna i okolic« erschien. Im vorliegenden ersten Teil wird die Zeit bis ins Jahr 1890 behandelt.

I. Privilegien und Konzessionen

In Brandenburg-Preußen war die Herstellung und der Verkauf von Medikamenten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts staatlich reglementiert. Bereits das kurfürstliche Medizinaledikt von 1685 bestimmte, dass Medikamente nur in Apotheken verkauft werden durften,1J. Weingarten: Staatliche Wirtschaftsaufsicht in Deutschland. 1989, S. 46. deren Betrieb die Medizinalordnung des Jahres 1693 regelte.2Die Apotheken sollten bis zehn Uhr abends geöffnet sein. In der Nacht und an Sonn- und Feiertagen hatte wenigstens »ein Gesell gegenwärtig« zu sein. Vor dem vierten Lehrjahr sollten Lehrjungen Medikamente nicht selbstständig herstellen. J. Berendes: Das Apothekenwesen. Seine Entstehung und geschichtliche Entwicklung bis zum XX. Jahrhundert. 1907, S. 165. Jeder Apotheker hatte bei der Amtsaufnahme einen Eid zu leisten, der ihn zur Einhaltung der Landesgesetze verpflichtete. Eine Taxe legte die Preise der wichtigsten Medikamente verbindlich fest.3Weingarten, a. a. O., S. 46.

Das Allgemeine Medizinaledikt von 1725 übertrug die brandenburgischen Gesetze auf alle Provinzen des preußischen Staates, zu denen ab 1772 auch Westpreußen gehörte. Die Pharmacopoea Borussica des Jahres 1799 listete alle Medikamente auf, die eine Apotheke zu führen hatte.4Das preußische Arzneibuch diente der Pharmacopoea Polonica als Vorbild, die 1821 erschien. Pharmacopoea Polonica, in: Heidelberger Jahrbücher. 1821, S. 799. Im Jahr 1801 legte die revidierte Apothekerordnung die Lehrzeit für den Apothekerberuf auf vier Jahre fest; nach dem Ende der praktischen Ausbildung hatte der Apothekengehilfe eine zusätzliche Servierzeit von fünf Jahren abzuleisten, bevor er zur staatlichen Approbation zugelassen wurde. Unter bestimmten Bedingungen konnte die Lehrzeit um ein halbes Jahr, die Servierzeit um bis zu zwei Jahre verkürzt werden.5P. Zeller: Medizinalpolizei. 1830, S. 366.

Bis zum Gewerbe-Edikt von 1810 wurde approbierten Apothekern die Führung der eigenen Apotheke in der Regel durch ein landesherrliches Privileg gestattet, das verkauft und vererbt werden konnte. Eine solche königlich-privilegierte Apotheke bestand seit dem 28. September 1779 in Deutsch Krone.6Das Privileg der Apotheke in Deutsch Krone ist abgedruckt in H. Lewinsky: Die Apothekenbetriebsrechte in Preußen. ²1917, S. 23. – In Jastrow entstand 1793 eine königlich-privilegierte Apotheke. Deutsch Krone – Stadt und Kreis. 1981, S. 166. Nach 1810 galten Apotheker hingegen als Kaufleute, die zum Betrieb ihres Geschäftes eine staatliche Genehmigung benötigten. Diese Konzession war an die Person des Inhabers gebunden und fiel nach dessen Ausscheiden oder Tod an den Staat zurück.

Nach dem Gewerbegesetz von 1811 konnten neue Apotheken-Konzessionen nur dann vergeben werden, wenn der zuständige Amtsarzt und die Polizeibehörde der Provinz ein öffentliches Bedürfnis feststellten.7Berendes, a. a. O., S. 281 f. Im Jahr 1826 zählte die Provinz Westpreußen 71 Apotheken,8Zahlen nach G. J. O. Roscius: Westpreußen von 1722 bis 1828. 1828, S. 206. die sich aber vor allem in den größeren Städten konzentrierten. Auf dem Land, wo rund ein Viertel der westpreußischen Bevölkerung lebte, blieb die Versorgung mit Medikamenten schwierig, wie nicht zuletzt Warnungen der Regierung vor »unbefugtem Handel mit Medikamenten im Umherziehen« belegen.9Regierung Marienwerder: Den unbefugten Handel mit Medikamenten betreffend. In: Amtsblatt, 9. Januar 1829, S. 5.

Von 1826 bis 1849 wurden in Westpreußen 19 neue Apotheken konzessioniert,10Tabellen und amtliche Nachrichten über den Preussischen Staat für das Jahr 1849. 1851, S. 617. dann kam es zu keinen Neugründungen mehr, obwohl sich die Einwohnerzahl der Provinz bis 1871 nahezu verdoppelte11Im Jahre 1826 hatte Westpreußen rund 738 000 Einwohner, 1871 waren es rund 1,3 Millionen. Roscius, a. a.O., Tabelle zwischen Seite 48 und 49 und Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staats und ihre Bevölkerung. 1874, S. 518. und die Apothekendichte erheblich hinter den westlichen Landesteilen zurückblieb.12Im Jahr 1855 kam im Regierungsbezirk Marienwerder eine Apotheke auf 12 561 Einwohner, in Düsseldorf auf 8191, in Köln auf 8718, in Münster auf nur 7553. Statistische Übersicht der Sanitäts-Anstalten des Preussischen Staats am Ende Jahres 1855. 26. August 1857, S. 541. Im Regierungsbezirk Marienwerder bestanden 1848 53 Apotheken, im Jahr 1874 waren davon nur 5213 geblieben.13A. Wankmüller: Zur Apothekengeschichte im Regierungsbezirk Marienwerder. 1997, S. 34. Bereits 1860 hatte der Arzt Edmund von Massenbach einen Mangel von 22 Apotheken im Regierungsbezirk konstatiert und unter anderem eine zweite Apotheke für die Stadt Deutsch Krone empfohlen,14E. von Massenbach: Die Verbreitung der Ärzte und Apotheker im preußischen Staate. 1860, S. 63. die jedoch erst in den 1920er Jahren eingerichtet werden konnte.15Eine bereits erteilte Konzession wurde 1902 nach dem Protest des privilegierten Apothekers Hugo Radeke wieder zurückgezogen. Siehe: Die Apothekenangelegenheit in Deutsch-Krone vor dem preussischen Landtage. Apotheker-Zeitung, 3. Mai 1902, S. 298 f.

II. Von Taubert bis Kempe

Zu den 19 Apotheken, die in Westpreußen zwischen 1826 und 1848 neu entstanden, gehörte auch die Apotheke in Tütz.16Vermutlich wurden die Apotheken in Märkisch Friedland und Schloppe ebenfalls zu dieser Zeit gegründet. Die Landapotheke in Zippnow erhielt die Konzession 1844. H. Trunz: Apotheker und Apotheken in Ost- und Westpreußen 1397-1945. 1996, S. 412. Ihre Gründungskonzession blieb nicht erhalten, aber aus den Akten der preußischen Regierungen in Marienwerder bzw. Schneidemühl17Die erhaltenen Unterlagen zur Apotheke in Tütz aus den Jahren 1846 bis 1932 werden im Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile unter der Signatur 55/907/0/1.11.5/2708 verwahrt. Die einzelnen Blätter der Akte – im Folgenden zitiert Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend – sind nicht paginiert. ist das Datum der Eröffnung bekannt – es ist der 14. Februar 1830.18Angabe u. a. in der Konzession vom 19. Juni 1846. Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [3]. Die überlieferten Akten enthalten keine Angaben zum Gebäude oder zur Lage; da aber für Apotheken besondere bauliche Vorschriften galten,19Im Jahr 1893 wurden die bestehenden baulichen Regeln gesetzlich zusammengefasst: »Eine Apotheke soll aus folgenden Räumen bestehen: 1. der in der Regel im Erdgeschoss befindlichen Offizin, 2. dem Vorrathsraume […], 3. […] dem Arzneikeller, 4. dem Laboratorium, 5. der Stosskammer. Sämmtliche Räumlichkeit sollen verschliessbar sein […]. Ihre Zweckbestimmung muss von dem zuständigen Regierungspräsidenten genehmigt sein.« Vorschriften über Einrichtung und Betrieb der Apotheken. 15. Januar 1894, S. 5. wurde in Tütz sehr wahrscheinlich ein Neubau errichtet, der bis 1945 ununterbrochen zur Apotheke diente. Aus der Zeit um 1920 ist eine Fotografie des Gebäudes bekannt, das an der heutigen Ulica Konopnickiej (der früheren Königstraße), etwas unterhalb der Einmündung der Ulica Zygmunta Augusta (der früheren Auguststraße), stand.20Die Lage der Apotheke ist aus einer Luftaufnahme von 1931 bekannt. Jüngst hat Paweł Sochacki eine eindrucksvolle Video-Rekonstruktion zur Apotheke veröffentlicht, in der sich auch die erwähnte Fotografie findet. P. Sochacki: Apteka (Video) 2017. Internetadresse: https://www.facebook.com/Tütztutz/videos/2128960824093881, Zugriffsdatum: 13.01.2023. Das grobkörnige Bild zeigt ein zweigeschossiges Haus aus Bruchstein mit einer höher gelegenen Eingangstreppe. Der massive Bauweise ist es wohl geschuldet, dass die Apotheke eines der wenigen Häuser war, die den verheerenden Stadtbrand vom 24. August 1834 überstanden. Das zur Apotheke gehörende Grundstück war ländlich groß und reichte bis zum Tafelsee.21Die Lage des Grundstücks ist auf einem Plan eingezeichnet, den Klemens Wiese 1957 in Dinslaken zeichnete.

Ansicht der Apotheke von Tütz um 1925. (Foto: Paweł Sochacki)

Vermutlich wurde die Apotheke in Tütz seit der Gründung von einem Herrn Taubert geführt, der freilich erstmals 1836 namentlich erwähnt wird und dessen Vornamen unbekannt bleibt. Der Apotheker Taubert »in Tietz« veröffentlichte 1836 in der Fachzeitschrift Archiv der Pharmacie einen Artikel, der einige biografische Details enthält: So hatte er bei einem »anderthalbjährigen Aufenthalt in Dresden« in der Engel-Apotheke des Besitzers Wetzel gearbeitet und in der sächsischen Hauptstadt auch die »Academie« besucht.22Taubert: Beschreibung der Aufbewahrung der Blutegel nebst Zeichnung. Archiv der Pharmacie, 1836, S. 161. Im Jahr 1840 trat Taubert gemeinsam mit dem Apotheker Vinsky aus Schloppe dem norddeutschen Apotheker-Verein bei.23Eintritt neuer Mitglieder. Zeitung des Apotheker-Vereins 1840, S. 133.

Im Frühjahr 1846 – also nach 16-jähriger Tätigkeit – übertrug Taubert die Apotheke an seinen Sohn Adolph Louis Ernst Taubert, der zwar approbierter Apotheker war, aber für den weiteren Betrieb der väterlichen Apotheke eine neue Konzession benötigte. Aufgrund der »beigebrachten vortheilhaften Zeugnisse« erteilte ihm die Regierung in Marienwerder am 19. Juni 1846 die Erlaubnis, in Tütz das Apotheker-Gewerbe zu betreiben. Er wurde in der Konzession dazu verpflichtet, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten und die Apotheke mit allen Medikamenten »nach der Pharmacopoea Borussica« auszustatten, »damit zu allen Zeiten, besonders zur Nachzeit, auch bei gefährlichen und ansteckenden Krankheiten das Publikum sich einer solchen Apotheke mit Nutzen bedienen« könne.24Konzession für Adolphe Taubert vom 19. Juni 1846. Regierung Marienwerder/SchneidemühlActa die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [2]. Ausdrücklich wurde Taubert nicht das Recht erteilt, die erteilte Konzession »auf einen anderen übertragen oder vererben« zu dürfen. Am 25. Juli 1846 legte Taubert vor dem Landrat in Deutsch Krone den Eid ab, dass er als Apotheker dem preußischen König »unterthänig, treu und gehorsam« sein und alle »bestehenden oder noch ergehenden Verordnungen« genau erfüllen werde.25A. a. O., Blatt [1]. Im Jahr 1848 trat Adolph Taubert dem norddeutschen Apotheker-Verein bei, sein Vater hingegen zog sich zurück.26Veränderungen in den Kreisen des Vereins. Zeitung des Apotheker-Vereins, 1848, S. 247. Allerdings blieb auch Taubert senior in Tütz ansässig, denn er verwaltete im Ort bis 1861 das »Special-Directorat« einer Feuer-Versicherungsgesellschaft.27Regierung Marienwerder: Personal-Chronik. Amtsblatt, 10. Juli 1861, S. 5.

Eidesformel für den Apotheker Adolph Louis Ernst Taubert.

Der Name Taubert findet sich auch auf einem Brief vom 2. Mai 1859, mit dem 58 Bürger von Tütz bei der Regierung in Marienwerder gegen die Wahl von Ludwig Alkiewicz zum Bürgermeister der Stadt protestierten.28Regierung Marienwerder, Acta betr. die Wahl der städtischen Communal-Beamten in der Stadt Tütz 1840-1861 (Ost-Abt. Rep. A 181, Nr. 1004). In: www.familysearch.org, LDS-Film 008938543, S. 449-453. Der 1818 im Kreis Birnbaum geborene Premier-Lieutenant Alkiewicz, den die Stadtverordneten am 19. April 1859 gewählt hatten, war ein Bruder des Propstes Viktor Julius Alkiewicz (1815-1893). Die Beschwerdeführer, die überwiegend der evangelischen und jüdischen Konfession angehörten und sich als die »intelligenten Mitglieder« der Stadtgesellschaft verstanden, befürchteten durch die Wahl offenbar eine Verschiebung der lokalen Machtverhältnisse und höhere Steuerlasten, obwohl sie sich durch den »mangelnden Verkehr« in der Stadt »kaum im Stande« sahen, die gegenwärtigen zu tragen. Die preußische Regierung gab dem Protest freilich nicht nach; Alkiewicz amtierte bis mindestens 1866 als Bürgermeister.29Schreiben vom 5. Januar 1867 in Regierung Marienwerder, Acta betr. die Communal-Angelegenheiten und die Anstellung der Communal-Beamten in der Stadt Tütz 1833-1936. [In:] Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Signatur: 1. HA, Rep. 77, Tit. 2690, Nr. 2, unpaginiert.

Im Sommer 1862 wurde die Apotheke in Tütz von Leopold Hipployt Xaver Selle erworben, der zuvor die Apotheke in Preußisch Friedland im Kreis Schlochau verwaltet hatte und deshalb bereits vereidigt war.30Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [3]. Am 17. Juni 1862 erteilte die Regierung in Marienwerder die nötige Konzession zu unveränderten Bedingungen. Weitere Details zur Biografie Selles oder zum Verbleib der Tauberts sind nicht bekannt.

Leopold Selle selbst blieb bis 1884 – also mehr als zwei Jahrzehnte – in Tütz, dann veräußerte er die Apotheke an Bruno Haensel, der seit 1883 die Apotheke im Garnisonslazarett in Danzig betreut hatte und dort als »Apotheker und Soldat« auch vereidigt wurde. Haensel gab an, die Apotheke in Tütz »allein, ohne Gehülfen und Lehrling« führen zu wollen.31Schreiben vom 8. September 1884 in: A. a. O., Blatt [6]. Am 13. August 1884 erteilte ihm die Regierung in Marienwerder die Konzession zu den bekannten Bedingungen. Obwohl Haensel am 1. März 1887 zum unbesoldeten Ratsmann in Tütz gewählt wurde,32Regierung Marienwerder: Personal-Chronik. Amtsblatt, 1. Juni 1887, S. 191. hielt es ihn nicht lange in der Stadt: Er verkaufte die Apotheke bereits im April 1889 an Adolf Pietzuch aus Sohrau in Oberschlesien. Von Pietzuch ist ein Lebenslauf überliefert, in dem es heißt:

Ich, Adolf Pietzuch, Sohn des Zimmermeisters Ludwig Pietzuch in Sohrau, bin geboren am 27. December 1861 in Sohrau O/S, Kreis Rybnik, Rgb. Oppeln. Ich verbrachte daselbst meine Kindheit und besuchte bis zum zwölften Lebensjahre in Sohrau die Elementarschule; hierauf die Gymnasien zu Pless, Ratibor und Neustadt O/S. Nachdem mir das Reifezeugnis für Obersecunda übergeben worden war, begann meine Lehrzeit als Apothekerlehrling in Schweidnitz i. Nschl. bei dem Herrn Apotheker Hertel. Nach dem Gehilfenexamen in Breslau condicionirte ich drei Jahre und studierte in Breslau und München, woselbst ich mein Staatsexamen Anfang vorigen Wintersemesters bestanden habe.«33Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [10].

Der aus dem Handwerker-Milieu stammende Pietzuch hatte also eine fast zehnjährige praktische und theoretische Ausbildung durchlaufen, bevor er mit 27 Jahren in Tütz zum Apothekenbesitzer wurde. Die Regierung in Marienwerder erteilte Pietzuch, der für das Gebäude und die Einrichtung der Apotheke in Tütz den Kaufpreis von 48 000 Mark an Haensel bezahlte, am 6. Mai 1889 die nötige Konzession.34A. a. O., Blatt [11]. In dem Schreiben ist auch der Kaufpreis genannt. Weil er »bislang nicht vereidigt worden« war,35Ebenda. leistete Pietzuch am 18. Mai 1889 vor Bürgermeister Doege in Tütz den Eid.36A. a. O., Blatt [12]. Der ganze Aufwand lohnte sich kaum, denn bereits im April 1890 verkaufte Pietzuch die Apotheke für 51 000 Mark an Albert Julius Kempe.37A. a. O., Blatt [34].

Der beiden raschen Besitzerwechsel im Verlauf von nur sechs Jahren deuten bereits an, dass Apotheken nach der Reichsgründung im Jahr 1871 Spekulationsobjekte geworden waren. Pietzuch und vermutlich auch schon Haensel hatten die Apotheke in Tütz nicht erworben, um sich an dem beschaulichen Ort mit knapp 2000 Einwohnern dauerhaft niederzulassen; sie benutzten die Kleinstadt-Apotheke vielmehr zum Einstieg in die Selbständigkeit nach einer sehr langen Ausbildung – und tauschten sie bei günstiger Gelegenheit gegen ein profitableres Objekt. Haensel führte 1891 eine Apotheke in Ritschenwalde38Handelsregister. Chemiker-Zeitung 21. Januar 1891, S. 83. im Kreis Obornik und ging später nach Berlin,39Verordnungen und Bekanntmachungen. Personalien. Gemeinde-Blatt der Haupt- und Residenzstadt Berlin. 12. Mai 1901, S. 209. wo er 1927 starb.40Personalnachrichten. Apotheker-Zeitung, 16. März 1927, S. 329. Pietzuch erwarb 1893 die Apotheke zum goldenen Anker in Grabow bei Stettin, die er bis 1898 besaß.41Remigiusz: Stare butelki z Pomorza Zachodniego 2010. Internetadresse: http://www.butelki.porcelanki.net/readarticle.php?article_id=159, Zugriffsdatum: 13.01.2023.

Wird fortgesetzt.

Anmerkungen

  • 1
    J. Weingarten: Staatliche Wirtschaftsaufsicht in Deutschland. 1989, S. 46.
  • 2
    Die Apotheken sollten bis zehn Uhr abends geöffnet sein. In der Nacht und an Sonn- und Feiertagen hatte wenigstens »ein Gesell gegenwärtig« zu sein. Vor dem vierten Lehrjahr sollten Lehrjungen Medikamente nicht selbstständig herstellen. J. Berendes: Das Apothekenwesen. Seine Entstehung und geschichtliche Entwicklung bis zum XX. Jahrhundert. 1907, S. 165.
  • 3
    Weingarten, a. a. O., S. 46.
  • 4
    Das preußische Arzneibuch diente der Pharmacopoea Polonica als Vorbild, die 1821 erschien. Pharmacopoea Polonica, in: Heidelberger Jahrbücher. 1821, S. 799.
  • 5
    P. Zeller: Medizinalpolizei. 1830, S. 366.
  • 6
    Das Privileg der Apotheke in Deutsch Krone ist abgedruckt in H. Lewinsky: Die Apothekenbetriebsrechte in Preußen. ²1917, S. 23. – In Jastrow entstand 1793 eine königlich-privilegierte Apotheke. Deutsch Krone – Stadt und Kreis. 1981, S. 166.
  • 7
    Berendes, a. a. O., S. 281 f.
  • 8
    Zahlen nach G. J. O. Roscius: Westpreußen von 1722 bis 1828. 1828, S. 206.
  • 9
    Regierung Marienwerder: Den unbefugten Handel mit Medikamenten betreffend. In: Amtsblatt, 9. Januar 1829, S. 5.
  • 10
    Tabellen und amtliche Nachrichten über den Preussischen Staat für das Jahr 1849. 1851, S. 617.
  • 11
    Im Jahre 1826 hatte Westpreußen rund 738 000 Einwohner, 1871 waren es rund 1,3 Millionen. Roscius, a. a.O., Tabelle zwischen Seite 48 und 49 und Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staats und ihre Bevölkerung. 1874, S. 518.
  • 12
    Im Jahr 1855 kam im Regierungsbezirk Marienwerder eine Apotheke auf 12 561 Einwohner, in Düsseldorf auf 8191, in Köln auf 8718, in Münster auf nur 7553. Statistische Übersicht der Sanitäts-Anstalten des Preussischen Staats am Ende Jahres 1855. 26. August 1857, S. 541.
  • 13
    A. Wankmüller: Zur Apothekengeschichte im Regierungsbezirk Marienwerder. 1997, S. 34.
  • 14
    E. von Massenbach: Die Verbreitung der Ärzte und Apotheker im preußischen Staate. 1860, S. 63.
  • 15
    Eine bereits erteilte Konzession wurde 1902 nach dem Protest des privilegierten Apothekers Hugo Radeke wieder zurückgezogen. Siehe: Die Apothekenangelegenheit in Deutsch-Krone vor dem preussischen Landtage. Apotheker-Zeitung, 3. Mai 1902, S. 298 f.
  • 16
    Vermutlich wurden die Apotheken in Märkisch Friedland und Schloppe ebenfalls zu dieser Zeit gegründet. Die Landapotheke in Zippnow erhielt die Konzession 1844. H. Trunz: Apotheker und Apotheken in Ost- und Westpreußen 1397-1945. 1996, S. 412.
  • 17
    Die erhaltenen Unterlagen zur Apotheke in Tütz aus den Jahren 1846 bis 1932 werden im Archiwum Państwowe w Poznaniu Oddział w Pile unter der Signatur 55/907/0/1.11.5/2708 verwahrt. Die einzelnen Blätter der Akte – im Folgenden zitiert Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend – sind nicht paginiert.
  • 18
    Angabe u. a. in der Konzession vom 19. Juni 1846. Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [3].
  • 19
    Im Jahr 1893 wurden die bestehenden baulichen Regeln gesetzlich zusammengefasst: »Eine Apotheke soll aus folgenden Räumen bestehen: 1. der in der Regel im Erdgeschoss befindlichen Offizin, 2. dem Vorrathsraume […], 3. […] dem Arzneikeller, 4. dem Laboratorium, 5. der Stosskammer. Sämmtliche Räumlichkeit sollen verschliessbar sein […]. Ihre Zweckbestimmung muss von dem zuständigen Regierungspräsidenten genehmigt sein.« Vorschriften über Einrichtung und Betrieb der Apotheken. 15. Januar 1894, S. 5.
  • 20
    Die Lage der Apotheke ist aus einer Luftaufnahme von 1931 bekannt. Jüngst hat Paweł Sochacki eine eindrucksvolle Video-Rekonstruktion zur Apotheke veröffentlicht, in der sich auch die erwähnte Fotografie findet. P. Sochacki: Apteka (Video) 2017. Internetadresse: https://www.facebook.com/Tütztutz/videos/2128960824093881, Zugriffsdatum: 13.01.2023.
  • 21
    Die Lage des Grundstücks ist auf einem Plan eingezeichnet, den Klemens Wiese 1957 in Dinslaken zeichnete.
  • 22
    Taubert: Beschreibung der Aufbewahrung der Blutegel nebst Zeichnung. Archiv der Pharmacie, 1836, S. 161.
  • 23
    Eintritt neuer Mitglieder. Zeitung des Apotheker-Vereins 1840, S. 133.
  • 24
    Konzession für Adolphe Taubert vom 19. Juni 1846. Regierung Marienwerder/SchneidemühlActa die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [2].
  • 25
    A. a. O., Blatt [1].
  • 26
    Veränderungen in den Kreisen des Vereins. Zeitung des Apotheker-Vereins, 1848, S. 247.
  • 27
    Regierung Marienwerder: Personal-Chronik. Amtsblatt, 10. Juli 1861, S. 5.
  • 28
    Regierung Marienwerder, Acta betr. die Wahl der städtischen Communal-Beamten in der Stadt Tütz 1840-1861 (Ost-Abt. Rep. A 181, Nr. 1004). In: www.familysearch.org, LDS-Film 008938543, S. 449-453.
  • 29
    Schreiben vom 5. Januar 1867 in Regierung Marienwerder, Acta betr. die Communal-Angelegenheiten und die Anstellung der Communal-Beamten in der Stadt Tütz 1833-1936. [In:] Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Signatur: 1. HA, Rep. 77, Tit. 2690, Nr. 2, unpaginiert.
  • 30
    Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [3].
  • 31
    Schreiben vom 8. September 1884 in: A. a. O., Blatt [6].
  • 32
    Regierung Marienwerder: Personal-Chronik. Amtsblatt, 1. Juni 1887, S. 191.
  • 33
    Regierung Marienwerder/Schneidemühl: Acta die Apotheke in Tuetz betreffend, Blatt [10].
  • 34
    A. a. O., Blatt [11]. In dem Schreiben ist auch der Kaufpreis genannt.
  • 35
    Ebenda.
  • 36
    A. a. O., Blatt [12].
  • 37
    A. a. O., Blatt [34].
  • 38
    Handelsregister. Chemiker-Zeitung 21. Januar 1891, S. 83.
  • 39
    Verordnungen und Bekanntmachungen. Personalien. Gemeinde-Blatt der Haupt- und Residenzstadt Berlin. 12. Mai 1901, S. 209.
  • 40
    Personalnachrichten. Apotheker-Zeitung, 16. März 1927, S. 329.
  • 41
    Remigiusz: Stare butelki z Pomorza Zachodniego 2010. Internetadresse: http://www.butelki.porcelanki.net/readarticle.php?article_id=159, Zugriffsdatum: 13.01.2023.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert